
FDA: Weltweite Kontrolle
Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA führt zunehmend auch im Ausland kurzfristige und unangekündigte Inspektionen durch. Ziel ist es, weltweit einheitliche Qualitätsstandards durchzusetzen – mit direkten Folgen für pharmazeutische Unternehmen und ihre globalen Lieferketten.
Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat im Mai 2025 bekannt gegeben, ihre globale Inspektionspraxis grundlegend zu ändern. Zukünftig sollen Inspektionen nicht nur unangekündigt stattfinden, sondern auch kurzfristig – das heißt ohne längere diplomatische Vorabstimmung oder logistische Vorwarnung. Diese Maßnahme betrifft nicht nur klassische Arzneimittelstandorte, sondern auch Hersteller von Biologika, neuartigen Therapien und Medizinprodukten.
Besonders betroffen sind Produktionsstätten außerhalb der Vereinigten Staaten, die Produkte für den US-Markt herstellen. Die neue Strategie stellt diese Standorte unter eine verschärfte Beobachtung und nimmt sie stärker in die Pflicht. Auch Unternehmen mit komplexen globalen Lieferketten müssen sich auf häufigere und kurzfristigere Kontrollen einstellen.
Gleiches Recht für alle
Die FDA verfolgt mit ihrer neuen Vorgehensweise das Ziel, weltweit einheitliche regulatorische Standards sicherzustellen. Bisher gab es Unterschiede in der Vorbereitung und Durchführung von Inspektionen in den Vereinigten Staaten im Vergleich zu anderen Ländern. Die US-Behörde will dem Eindruck entgegenwirken, dass ausländische Standorte weniger streng kontrolliert werden als Produktionsstätten im eigenen Land. Durch unangekündigte Besuche erhofft sie sich ein realistischeres Bild von der tatsächlichen Betriebspraxis vor Ort. Besonders im Fokus stehen Hersteller von Wirkstoffen, forschende Unternehmen, Auftragsentwickler sowie Distributionszentren, die Produkte in die Vereinigten Staaten liefern. Es geht darum, Schwachstellen in Qualitätssystemen frühzeitig zu erkennen und Manipulationsmöglichkeiten durch vorbereitete Inspektionsabläufe auszuschließen.
Deutliche Unterschiede
Daten der FDA zeigen, dass im Jahr 2024 zu den häufigsten Beanstandungen etwa lückenhafte oder nicht vorhandene Standardarbeitsanweisungen, mangelhafte Dokumentationen oder unklare Prozesse im Beschwerdemanagement zählten. Auch Abweichungen zwischen dokumentierten und realen Abläufen wurden wiederholt festgestellt. Dann gibt es noch deutliche Unterschiede zwischen inländischen und ausländischen Inspektionen. Bei angekündigten Inspektionen außerhalb der Vereinigten Staaten wurden überdurchschnittlich viele schwerwiegende Mängel festgestellt, sogar doppelt so viel.
Solche Feststellungen unterstreichen, dass in vielen Fällen eine systematische Inspektionsbereitschaft fehlt oder nur oberflächlich besteht. Dies hat direkte Auswirkungen auf die Bewertung durch die FDA, auf mögliche regulatorische Maßnahmen sowie auf die zukünftige Marktverfügbarkeit der betreffenden Produkte.
Konkrete Folgen drohen
Wenn die FDA bei einer unangekündigten Inspektion gravierende Mängel feststellt, müssen Unternehmen mit schwerwiegenden Konsequenzen rechnen. Dazu gehören Formblätter zur Mängelerhebung (Form 483), behördliche Warnschreiben (Warning Letters) oder sogar Importverbote (Import Alerts). Diese Maßnahmen haben unmittelbare Folgen für den betroffenen Standort und potentiell für das gesamte Unternehmen.
Die neue Inspektionspraxis verdeutlicht daher: Es reicht nicht mehr aus, nur bei geplanter Inspektion eine gute Außendarstellung zu bieten. Vielmehr müssen Unternehmen durchgehend in der Lage sein, regulatorische Anforderungen nachweislich zu erfüllen.
Stabile Qualitatssicherung
Ein zentraler Faktor für den sicheren Umgang mit unangekündigten Inspektionen ist die dauerhafte Aufrechterhaltung eines stabilen Qualitätssystems. Dazu gehört, dass alle relevanten Dokumente – wie etwa Standardarbeitsanweisungen, Validierungsunterlagen oder Herstellungsprotokolle – stets aktuell, vollständig und leicht zugänglich sind.
Auch bei Partnerunternehmen oder ausgelagerten Prozessen muss sichergestellt sein, dass dieselben Qualitätsstandards gelten.
Besondere Aufmerksamkeit gilt der Schulung und Vorbereitung des Personals. Wer kommuniziert mit den Inspektoren? Welche Informationen dürfen offengelegt werden? Wie werden Rückfragen beantwortet? Diese und weitere Aspekte sollten vorab geklärt sein. Ein strukturierter Kommunikationsplan kann im Ernstfall den Ablauf erheblich erleichtern.
Übung schafft Sicherheit
Neben der internen Vorbereitung haben sich unangekündigte interne Audits oder sogenannte Mock Inspections bewährt. Sie ermöglichen es, reale Inspektionssituationen unter kontrollierten Bedingungen zu simulieren. Externe Auditorinnen und Auditoren können hierbei wertvolle Hinweise geben und blinde Flecken im eigenen System aufdecken.
Ein effektives Auditprogramm sollte regelmäßig überprüft und weiterentwickelt werden,. Dabei lohnt sich auch der Blick in öffentlich zugängliche Datenbanken, in denen die FDA regelmäßig ihre Feststellungen dokumentiert. Die Analyse dieser Daten liefert konkrete Anhaltspunkte, an welchen Stellen Verbesserungspotential besteht.
Auch die konsequente Überwachung von Qualitätskennzahlen und Abweichungen ist essenziell. Wer auftretende Trends frühzeitig erkennt, kann geeignete Maßnahmen ergreifen, bevor regulatorische Schwellenwerte überschritten werden. Dadurch lässt sich nicht nur die Inspektionsfähigkeit verbessern, sondern auch das allgemeine Qualitätsniveau steigern.
Kontinuierlicher Prozess
Die neue Inspektionsstrategie der FDA steht sinnbildlich für steigende Erwartungen an die globale pharmazeutische Industrie. Unternehmen, die Compliance und Qualitätsmanagement nicht als einmalige Projekte, sondern als festen Bestandteil ihrer Unternehmenskultur begreifen, sind im Vorteil. Sie können schneller auf externe Anforderungen reagieren, interne Schwächen besser erkennen – und ihre Position im internationalen Wettbewerb festigen.
Compliance darf daher nicht als kurzfristige Aufgabe verstanden werden, sondern als kontinuierlicher Prozess. Nur wer dauerhaft in Qualität investiert, wird langfristig bestehen können. Die Fähigkeit, jederzeit inspektionsfähig zu sein, entwickelt sich zunehmend zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Denn im globalen Wettbewerb zählt nicht nur die Innovationskraft, sondern auch die nachweisbare Verlässlichkeit der operativen Abläufe – jederzeit und überall.
Dieser Gastbeitrag von Henriette Feiertag, PharmaLex – Teil von Cencora, ist |transkript 3/2025 entnommen.